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Welcher Spruch Villiger rund ums Seenachtfest am meisten gestört hat

Fabian Villiger, OK-Präsident Seenachtfest Rapperswil-Jona

Interview von Pascal Büsser, LinthZeitung

Vom 9. bis 11. August verwandeln sich die Rapperswiler Altstadt und Seepromenade in eine riesige Festhütte. Ein grosses Jubiläum steht an: 100 Jahre Seenachtfest. Für Fabian Villiger soll es zugleich der krönende Abschluss als OK-Chef sein. Nach zwölf Jahren und fünf Ausgaben gibt er das Amt ab. Im Interview erklärt er die Hintergründe.

Fabian Villiger, das Seenachtfest 2024 soll Ihr letztes als OK-Präsident werden. Definitiv?

Ja, mein Entschluss steht fest. Ich habe das schon länger den OK-Mitgliedern und an der Generalversammlung von Rapperswil Zürichsee Tourismus bekannt gegeben.

Wieso wollen Sie nicht mehr?

Ich führe das Seenachtfest-OK seit 12 Jahren. 2024 ist die fünfte Ausgabe unter mir. Es geht nicht mal nur um mich. Manchmal ist es einfach gut, dass nach so einer langen Zeit neuer Wind, neue Inputs und neue Energie kommen.

Ist Ihnen die Festlaune abhandengekommen?

Nein. Mein Leben bleibt geprägt von Events. Ich lebe für Rapperswil-­Jona, Anlässe und fürs Radio. Das Seenachtfest verbindet das alles. Darum ist mir auch nicht egal, was mit dem Fest passiert. Ich merke einfach: Es braucht eine organisatorische Veränderung, unabhängig von Personen. Man muss nun für die nächsten fünf Feste denken.

Wieso braucht es dies?

Ich bin wie ein Beck, der fünf Tage Brötchen verkauft, aber am Montag gibt er sie gratis raus. Sprich: Ich führe eine Eventagentur. Das Seenachtfest ist ein Mandat. Ich verrechne aber nur das Sekretariat. Meine persönliche Arbeitszeit als OK-Präsident ist gratis und ehrenamtlich, abgesehen von einer Spesenentschädigung.

Das deckt die Kosten nicht?

Bei Weitem nicht. Und der Aufwand ist in den letzten Jahren gestiegen. Wie gesagt: im Schnitt etwa ein Tag pro Woche. Bei aller Liebe fürs Seenachtfest. Ich bin nicht mehr bereit, so viel ehrenamtlich zu arbeiten. Es geht schliesslich um den operativen Lead des Fests und eine ziemliche Verantwortung.

Hinter vorgehaltener Hand hört man nicht selten, dass Sie vom Seenachtfest profitieren.

Das hat mich stets am meisten gestört, dass es hiess: «Der Villiger profitiert …» Klar, was die Bekanntheit angeht, habe ich profitiert vom Seenachtfest. Und es ist eine tolle Referenz. Ich konnte zeigen, was ich kann. Aber ich habe finanziell nie profitiert. Ich würde eher behaupten, dass das Seenachtfest von mir und meinen Kontakten in der Eventbranche profitiert hat. Die namhaften und treuen Sponsoren und Partnerschaften des Seenachtfests kommen nicht von ungefähr. Zudem konnte ich Synergien schaffen, die dem Seenachtfest zugute kamen.

Haben Sie aus diesen Deals nicht auch wieder für Ihr Geschäft einen Nutzen gezogen?

Nein, teils im Gegenteil. Als OK-Präsident musst du Entscheidungen treffen. Diese betreffen Offerten von Partnern und Sponsoren. Allen kannst du es dabei nicht recht machen. Problematisch ist es dann, wenn du als ehrenamtlicher OK-Präsident Entscheidungen fällst, die nicht allen passen. Und die dann teils aufs berufliche Umfeld negative Auswirkungen haben.

Das tönt nicht gerade verlockend für einen Nachfolger. Gibt es schon Interessenten?

Nein. Es ist fraglich, ob sich eine Person für die aktuelle Rolle findet. Es bräuchte jemand, der es möglichst professionell allenfalls mit einem bestehenden Event-Netzwerk macht. Und gleichzeitig ehrenamtlich. Das ist schwierig. Deswegen sage ich, dass es eine neue Organisationsstruktur braucht.

Wie könnte diese aussehen?

Ich bin heute OK-Präsident und Geschäftsführer in einem. Man könnte strategische und operative Aufgaben trennen. Wir sind im Austausch mit anderen grossen Festkomitees wie Baden und Luzern. Die haben sehr ähnliche Probleme. Alle stellen fest: Mit einem 100 Prozent ehrenamtlichen OK geht es nicht mehr. Was auch klar ist: Ganz ohne Freiwilligkeit geht es auch nicht. Die Kunst ist, den richtigen Mix zu finden.

Finden sich noch genügend Freiwillige für ein Seenachtfest?

Vereinsmitglieder, die eine Beiz führen, findet man. Bei den Helfern wird es immer schwieriger, aber man findet sie. Leute fürs OK findet man, aber man muss sie aktiv suchen. Schliesslich sind es ja schon auch tolle Aufgaben. Aber am schwierigsten ist das Präsidium zu besetzen, zumal in der heutigen Form.

Das Seenachtfest hatte bereits vor Ihrer Übernahme 2012 ein Budget von 1,3 Millionen. Seither ist es konstant bei etwa 1,4 Millionen. Wieso ist die Organisation trotz gleichem Finanzvolumen aufwendiger geworden?

Die Frage ist immer, was man als Budgetzahl nimmt. Inzwischen sind wir eher bei 1,6 Millionen. Bei einer Vollkostenrechnung gegen zwei Millionen. Aber der steigende Aufwand liegt vor allem in vielen Details.

Zum Beispiel?

Bei der letzten Austragung 2022 haben wir die Bezahlung per Twint eingeführt. Dieses Jahr sind erstmals Kartenzahlungen möglich. Das ist logistisch ein Riesenprojekt für uns.

Waren das die wichtigsten Neuerungen unter Ihrer Führung?

Die erste Neuerung war, dass wir 2013 erstmals nationale Musikacts fest ins Programm eingebunden haben mit der Radio-Zürisee-Bühne am Hauptplatz. Statt dem Feuerwerk haben wir mal eine Lasershow probiert, auch wenn das nicht mein persönliches Highlight war. Dieses Jahr kann man zum 100-Jahr-Jubiläum nun an der Zipline übers Festgelände fliegen. Daneben gab es viele weniger sichtbare Verbesserungen.

Nämlich?

Wir haben das Abrechnungssystem professionalisiert, das Sicherheitsdispositiv verbessert und auch beim Marketing grosse Fortschritte gemacht. Das Sponsorenboard haben wir vergrössert und verbreitert, weil Sponsorengelder immer wichtiger werden. Ein Erfolg war auch, dass wir die Feste ohne nennenswerte Zwischenfälle meistern konnten. Darauf bin ich auch stolz. Man muss nicht immer in Superlativen denken.

Apropos Superlative: Manche Einheimische finden, dass Fest könnte wieder lokaler werden.

Ich bin der Meinung, wir müssen als Seenachtfest Rapperswil-Jona eine überregionale Ausstrahlung haben. Wir sind ein Leuchtturmevent in unserer Region. Auch wenn wir weniger Plakate aufhängen würden, kämen die Leute aus der nahen und auch weiteren Umgebung trotzdem. Weil wir eine sensationelle Kulisse haben. Und weil wir inzwischen eine Marke etabliert haben.

Aber braucht es 80 000 Besucher oder ginge die Rechnung nicht auch mit etwas weniger Leuten und kleineren Musikacts auf?

Die Rechnung ist einfach: 60 Prozent der Einnahmen generieren wir über das Ticketing. Weniger Tickets heisst, massiv weniger Einnahmen. Die grössten Kostenpositionen sind die Infrastruktur, danach die Sicherheit. Das Programm kommt erst an dritter Stelle. Eine kleinere Bühne aufstellen kostet fast gleich viel wie eine grosse. Wir haben hohe Fixkosten.

Das Ergebnis hängt also von der Zahl der verkauften Tickets ab?

Genau. Man kann sagen, das finanzielle Ergebnis hängt vom Wetter ab. Die Differenz von gutem und schlechtem Wetter sind circa 20 000 verkaufte Tickets oder brutto 800 000 Franken.

Wie viel Gewinn macht das Seenachtfest, wenn es gut läuft?

Im tiefen sechsstelligen Bereich. Notabene für die Kasse von Rapperswil Zürichsee Tourismus, nicht meine. Um verschiedene gemeinnützige Dienstleistungen für Einheimische und Gäste wie das Visitor Center, den Hirschpark und den Freitagsmarkt zu betreiben. Ein wesentlicher Teil des Gewinns vom Seenachtfest geht zudem an die Vereine, welche die Festbeizen betreiben. Und das ist auch gut so.

Und bei schlechtem Wetter?

Dann ist der Verlust auch sechsstellig, aber im mittleren Bereich. Das finanzielle Risiko, so ein Fest durchzuführen, ist schon ziemlich gross.

Im Schnitt schaut aber ein Gewinn raus?

Das ist so. Seit ich das OK führe, hatten wir auch immer Wetterglück. Um das Risiko für zukünftige Seenachtfeste etwas abzufedern, konnten in den vergangenen Jahren zudem Rückstellungen gebildet werden.

Die Stadt zahlt seit Langem 80 000 Franken ans Seenachtfest. Genug?

Die Stadt ist uns wohlgesinnt und die Zusammenarbeit läuft gut. Sie stellt zusätzlich zum Geldbetrag Leistungen des Werkdiensts und der Feuerwehr zur Verfügung. Für die Jubiläumsausgabe zahlt sie zudem 100 000 Franken. Es ist aber so, dass andere Städte Feste noch stärker finanziell unterstützen oder Defizitgarantien bieten. Aber ich möchte nun bestimmt nicht jammern.

Die Stadt könnte aber mehr machen?

Wenn wir von einer Professionalisierung der Organisation reden, muss auch die Stadt für sich entscheiden, wie wichtig ihr das Seenachtfest ist, das doch einen wesentlichen Beitrag ans Stadtmarketing leistet.

Stehen Sie für die anstehende Reorganisation noch zur Verfügung?

Ich stehe zur Verfügung. Eine Reorganisation ist ein sehr spannender Prozess. Aber wenn eine neue Führungscrew einen klaren Schnitt will, habe ich damit kein Problem. Ich hatte es dazumal auch geschätzt, dass mein Vorgänger Reto Klotz mir nicht mehr reingeredet hat.

Sie sind nach 15 Jahren auch aus dem Vorstand des Gewerbes demissioniert. Ziehen Sie sich von allen öffentlichen Ämtern zurück?

Nein, ich bleibe Vizepräsident von Rapperswil Zürichsee Tourismus. In dieser Rolle denke ich ohnehin weiter am Seenachtfest mit. Ich werde auch mit Radio Zürisee, meiner Eventagentur, entsprechenden Public Events in der Region und am Wurstkranz-Bankett weiter öffentlich in Erscheinung treten. Auch bei der Expo Rapperswil-Jona bleibe ich als OK-Chef dabei. Und zudem habe ich bereits neue Event-Ideen im Köcher.

Und das Stadtfest auf der Neuen Jonastrasse und dem Zeughausareal organisieren Sie weiter?

Die Organisation des Stadtfests ist ein normales Mandat. An wen die Stadt dies vergibt, entscheidet der Stadtrat. Wir sind sicher interessiert.

Das diesjährige Fasnachtsmotto spielte auf Ihre Rolle als Tausendsassa in der Stadt an. Hat sie das gestört?

Nein. Ich habe kein Problem damit. Und es als Ehre empfunden. Zu 99 Prozent erlebe ich für mein Engagement in der Stadt eine hohe Wertschätzung. Dass ich eine Person des halb-öffentlichen Interesses bin, habe ich selber gewählt. Ich weiss auch, wie ich dem ausweichen kann.

Was werden Sie am ersten Seenachtfest machen, für das Sie nicht mehr verantwortlich sind?

Ein Abend werde ich wohl mitten drin im Festgewühl sein. Am anderen Abend kann ich dann aber endlich mal das Feuerwerk von daheim im Lenggis geniessen.

Apropos Feuerwerk: Auch ein Programmpunkt, der zunehmend kritische Stimmen provoziert.

Ich bin sicher, dass wenn überhaupt, nur privates Feuerwerk eingeschränkt oder verboten wird. So würden öffentliche Feuerwerke zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Sie sehen keinen Reformbedarf beim Inhalt des Seenachtfests?

Was wollen die Leute? Sie wollen sich treffen, etwas trinken, sich unterhalten. Musik und Festbeizen werden deshalb immer Teil des Seenachtfests sein. Wie gross das Fest sein soll, wie gross die Musikacts und wie viel Action es im Rahmenprogramm braucht: Dazu soll sich ein neues OK Gedanken machen. Ich glaube aber nicht, dass man das Seenachtfest neu erfinden muss. 80 000 Gäste sprechen für sich. Und jetzt freue ich mich unglaublich auf die kommende Ausgabe 2024.

Linth Zeitung vom 25. Juni 2024
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